Pressemitteilung 06.10.2022

Mehr Selbstbestimmung für Gemeinden

Kommunale Spitzenverbände lehnen Haushaltsentwurf ab

Am vergangenen Dienstag fand im Plenarsaal des Landtages in öffentlicher Sitzung die Anhörung der kommunalen Spitzenverbände zum Thüringer Haushaltsplan 2023 und zum Finanzausgleichsgesetz statt. Sowohl der Thüringische Landkreistag als auch der Gemeinde- und Städtebund stellten Ihre Ablehnung der beiden Gesetzentwürfe in gut begründeten Reden dar, denn die finanzielle Lage der kommunalen Ebene ist dramatisch. Die ungenügende Ausstattung des kommunalen Finanzausgleichs zu Ungunsten der kommunalen Körperschaften seit vielen Jahren, gepaart mit einer immer größeren Belastung durch eine wachsende Zahl von übertragenen Aufgaben, deren Aufwand entgegen der Konnexität nicht vollständig vom Land oder dem Bund getragen werden, haben auch ohne die Krisen der letzten Jahre immer mehr Kommunen und Landkreise in Bedrängnis gebracht. Die explodierenden Energiekosten und die inflationsbedingten Mehrkosten lassen die ohnehin klammen Finanzmittel trotz der herbstlichen Temperaturen wie Butter in der Sonne schmelzen. Höhere Schlüsselzuweisungen des Landes sind existentiell wichtig für den kommunalen Sektor, wie die dargelegten Zahlen anschaulich zeigten. Eine Reform des kommunalen Finanzausgleichs ist überfällig, gleichwohl nicht in der gebotenen Eile umsetzbar, da hier nur eine grundlegende und gut strukturierte Neuordnung Abhilfe schaffen kann. Dies haben die kommunalen Spitzen ebenso gesehen. Allerdings brauchen die Thüringer Kommunen und Landkreise jetzt schnelle Hilfe, denn drohende Haushaltssicherungsmaßnahmen würden deren Handlungsfähigkeit noch viel weiter einschränken. Ein Beispiel ist der festgeschriebene Inflationsausgleich von gerade einmal 1,24%, was bei der gegenwärtig zweistelligen Inflationsrate einer praktischen Mittelkürzung gleichkommt.

Ein weiteres gravierendes Problem stellt der Sonderlastenausgleich Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen dar. Laut Gemeinde und Städtebund wird hier „die Ausbringung eines zusätzlichen Investitionstitels in Höhe von 20 Mio. EURO (wird) durch einen Abzug zulasten der Schlüsselmasse finanziert, mithin schlicht mit kommunalem Geld.“ Dies ist nicht hinnehmbar. Die vielen zweckgebundenen Zuwendungen führen an sich in der aktuellen Situation bereits zu immer größeren Problemen, da aufgrund von Material- und Arbeitskräftemangel sowie explodierenden Baukosten viele geplante Maßnahmen schlicht nicht umgesetzt werden können. Im Übrigen geht die zweckgebundene Ausreichung von Fördermitteln nicht selten am tatsächlich dringenden Bedarf vor Ort vorbei. So bleiben wichtige Projekte auf der Strecke, Mittel aus den Fördertöpfen des Landes können nicht abgerufen werden, die dann am Ende des Haushaltsjahres wieder als Einnahmen verbucht werden, andere Fördermaßnahmen sind zu knapp bemessen und das hat einen immensen Antragsstau zur Folge. Alles in allem eine sich immer weiter verschärfende Situation, die dringend der Abhilfe bedarf.

Was lässt sich im Haushalt 2023 ändern?

Wir Bürger für Thüringen werden daher einen ersten Schritt in den anstehenden Haushaltsverhandlungen für 2023 gehen und Änderungsanträge für zweckgebundene Titel in den Bereichen Klimaschutz und Klimafolgenanpassung einbringen. Wenn diese Mittel ohne Zweckbindung den Kommunen zur Verfügung gestellt werden, können allein im Einzelplan des Thüringer Ministeriums für Umwelt, Energie und Naturschutz mindestens 16 Mio. EURO für andere dringende kommunale Aufgaben eingesetzt werden. Dies stärkt nicht zuletzt das eigenverantwortliche Handeln der kommunalen Entscheider, denn diese wissen schließlich am besten, wo der größte Handlungsbedarf besteht. Unser Ansatz folgt dabei einfachen pragmatischen Überlegungen. Wenn bestehende Förderprogramme aufgrund der bereits erwähnten, gegenwärtigen wirtschaftlichen Situation von den Kommunen nicht in Anspruch genommen werden können, schon alleine, weil deren Umsetzung im Abrechnungszeitraum nicht möglich ist, müssen diese für andere, ebenfalls notwendige, aber umsetzbare Projekte verwendet werden. Und da es sich bei den entsprechenden Mitteln nicht um durch Bundes- oder EU-Mittel kofinanzierte Titel handelt, ist das auch ohne Verlust für den Landeshaushalt möglich. Dies kann nur ein erster Schritt sein, die auch vom Landesrechnungshof immer wieder kritisch beleuchtete Förderpolitik des Freistaates Thüringen neu zu ordnen und auch diesen Weg werden wir mit konstruktiven Vorschlägen gern mitgehen. Ziel muss dabei sein, den kommunalen Gebietskörperschaften ein Höchstmaß an Eigenverantwortung zu geben, damit diese dem tatsächlichen Bedarf in ihrem Wirkungskreis Rechnung tragen können, wie wir dies auch in unserem Programm bereits formuliert haben.

Hintergrund:
Der Verein Bürger für Thüringen wurde 2020 im Zuge der Thüringer Regierungskrise nach der Wahl des FDP-Politikers Thomas L. Kemmerich zum Ministerpräsidenten gegründet – und, weil ständige Macht- und Mehrheitsdebatten die Politikverdrossenheit weiter forciert haben. Die Parteigründung der Bürger für Thüringen erfolgte, um die Stimmen der Bürger in Thüringen auch in die Parlamente tragen zu können und ihnen dort Gehör zu verschaffen. Bürger für Thüringen ist seit dem 15.07.2022 eine parlamentarische Gruppe im Thüringer Landtag.